Nachhaltigkeit mit Chefkoch

Nachhaltiger Fischgenuss aus Aquakultur

Ganz nah am Fisch: das Team von der Aquakultur Mohnen

(Foto: Katrin Roland)

Bei der Aquakultur Mohnen gibt es Antworten auf die Fragen, ob und wie der Konsum von Fisch in eine nachhaltige Lebensweise passt, was es mit der heimischen Aquakultur auf sich hat und unter welchen Bedingungen Süßwasserfische in Deutschland gezüchtet werden. Und ganz nebenbei auch Antwort darauf, wie diese Forellen schmecken.

Genauso wie der Wunsch, Fleisch nachhaltig zu konsumieren, entpuppt sich auch ein zukunftsfähiger Fischgenuss als äußerst komplex. Doch wo die Herkunft von Fleisch noch relativ einfach nachzuvollziehen ist, wird es beim Fisch richtig kompliziert. Der aktuelle und jeweilige geografische Fischbestand, die Fangmethode und der eventuelle Beifang müssen beim Fisch aus Wildfang berücksichtigt werden. Und was bedeuten die vielen verschiedenen Aquakulturen für Umwelt und Tiere? Fisch ist nicht gleich Fisch und die Antwort auf die Frage nach Nachhaltigkeit scheint nur noch der eigene Angelschein zu sein.

Der eigene Angelschein, der die Berechtigung erteilt, an heimischen Gewässern zu fischen? Ich stelle fest, dass ich viel zu spät an den Fisch denke, der in den Seen, Flüssen und Bächen in meiner direkten Umgebung schwimmt. Wenn mir das Wasser im Munde zusammenläuft, sehe ich ein knusprig gegrilltes Steak vom Seelachs, Doraden im Salzmantel oder fein gebratenen Seeteufel. Anscheinend ist mir der Fisch, der weit entfernt von einer riesigen Industrie gefangen wird, viel näher als der, der regional bei uns in NRW vorkommt. Die hohe Nachfrage nach Meeresfisch hat die heimischen Arten anscheinend abgehängt. Die offiziellen Zahlen bestätigen das: Die Hitliste der beliebtesten Speisefische in Deutschland wird sehr deutlich von Lachs, Hering und Thunfisch angeführt. 

Ich weiß zwar, wie Bachforelle, Aal oder Zander schmecken, bei Karpfen, Hecht oder Wels hört es aber schon auf. Geschweige denn von Brasse, Rotauge oder Barsch. Hand aufs Herz: Obwohl sich mein Fischgenuss in Grenzen hält, esse ich viel häufiger Fisch, der, ohne die Kühlkette zu unterbrechen, viele Kilometer hinter sich gebracht hat, um dann in einer Frischetheke zu landen, als einen Fisch aus der Gegend, in der ich wohne. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es also an der Zeit, sich nach Fisch umzuschauen, der sich zunächst durch seine Regionalität als nachhaltig auszeichnet. Dabei wird sehr schnell klar, dass in Deutschland keiner unter die Angler gehen muss, um heimischen Fisch zu genießen. Kaum eine Region, in der es keine Aquakultur gibt, die in die Natur eingebettet liegt.

Bei Mohnen

Die Aquakultur Mohnen legt den Fokus schon in ihrem Internetauftritt auf die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit – genau das, was ich gesucht habe. Ich freue mich sehr, dass sich Philipp Mohnen sofort bereit erklärt, mir die Regenbogen- und Bachforellen zu zeigen, und natürlich den gesamten Betrieb, den seine Familie seit über 60 Jahren in Stollberg bei Aachen führt. Er wird mir auf meiner Suche nach nachhaltigem Fisch Rede und Antwort stehen. 

Forellenteich mit Gebäuden der Aquakutur im Hintergrund
Mit Blick auf die Forellenteiche bei der Aquakultur Mohnen

(Foto: Katrin Roland)

Schon in unserem Vorgespräch deutet Philipp Mohnen an, dass er eine nachhaltige Arbeitsweise als unausweichlich für eine zukunftsfähige Fischzucht hält. Anders als ein Mastbetrieb von Schweinen sind die Forellenteiche eng mit der Natur verbunden, müssen sich an die Veränderungen anpassen und sehr streng darauf achten, das bestehende Ökosystem nicht zusätzlich zu schädigen. Er sieht die Aquakultur gerade an einem Scheideweg, an dem die Massentierhaltung vor 30–40 Jahren stand. Dieselben Fehler, die damals gemacht wurden und die bis heute das System bestimmen, müssen bei der Fischzucht unbedingt vermieden werden. Der Profit muss diesmal Rücksicht auf Verluste nehmen. Die hohen Ansprüche an Tierwohl, an einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt und an die Produktqualität müssen unbedingt überein gebracht werden.

Darin sieht Philipp Mohnen seine Aufgabe – und darin zu vermitteln, dass Fisch in einer anständigen Qualität seinen Preis hat. Die nachhaltige Produktion einer Aquakultur oder aber die nachhaltige Fangmethode machen Fisch zu einem absoluten Luxusprodukt. Niemals würde er eigennützig empfehlen, mehr Fisch zu essen. Den richtigen Fisch zu essen schon eher. Ich bin gespannt, was diesen »richtigen Fisch« auszeichnet, denn ich gehe mal davon aus, dass er damit seine Forellen meint. 

Klares Wasser

Wir treffen uns an einem sonnigen Nachmittag auf einem Wanderparkplatz in Stolberg-Schevenhütte. Von dort aus geht es über eine kleine Holzbrücke, die über den Wehebach führt. Das Gewässer schlängelt sich immerhin 25 Kilometer durch den Kreis Düren. Das Wasser, das hier unter uns hindurchfließt, hat das Gelände des Betriebs geradewegs verlassen. Schließlich ist das Wasser, das gleich hinter einer Talsperre in den Betrieb einläuft, von der Natur nur geliehen und wird zurück in den Bach geleitet, sobald es die Anlage durchflossen hat. Also starten wir die Besichtigung gewissermaßen von hinten.

Wir laufen bachaufwärts auf das Gelände zu, bis wir an einem kleinen Auslauf stehen bleiben. Philipp Mohnen erklärt, dass das Wasser früher lediglich durch eine Absatzbeckenklärung gesäubert wurde. Die Ausscheidungen der Fische sind in den Boden gesunken und das Wasser wurde durch einen hoch angelegten Auslauf zurück in den Fluss geleitet. Das ist längst nicht mehr erlaubt, die Wiedereinleitungsbedingungen der Unteren Wasserbehörde liegen heute weitaus höher. Was auch dringend nötig ist, wie Philipp Mohnen betont. Heute wird das Wasser mechanisch und biologisch aufbereitet und streng auf Stickstoff-, Ammonium- und Phosphorwerte kontrolliert.

So hat sich die Aquakultur Mohnen in den letzten Jahrzehnten immer wieder modernisiert und den Gegebenheiten und Vorschriften angepasst. Auf die steigenden Temperaturen durch den Klimawandel und dem damit verbundenen Wassermangel muss unbedingt im nächsten Modernisierungsschritt noch einmal intensiv reagiert werden. Dass derzeit schon ein Teil des geklärten Wassers in die Anlage zurückgeführt und effizient durch Teilkreislaufsysteme genutzt wird, reicht in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr aus. Das Wasser in der Teichanlage erwärmt sich in der Hitze der Sommermonate einfach zu stark, was bei der Wiedereinleitung die Wassertemperatur im Bach erhöht, was wiederum Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem hat.

Deshalb ist es unausweichlich, die Becken möglichst bald kompakter mit weniger Oberfläche umzubauen und die ganze Anlage zu überdachen, erklärt Philipp Mohnen zähneknirschend. Im besten Fall wird das Dach zusätzlich mit einer Photovoltaikanlage versehen, sodass sich der Betrieb selbst mit Strom versorgt. Das Prinzip, dass Fischzuchtanlagen dieser Art immer ein vorhandenes Fließgewässer nutzen, ändert sich aber nicht. So wurde hier Ende der 1950er Jahre ein Teil des Wehebachs abgezwackt, um so die ersten Teiche anzulegen. Was mit ein paar einfachen Erdteichen begann, erstreckt sich nun auf einer Fläche, auf der 24 Teiche in der Sonne glitzern. Mittlerweile gibt es eine weitere Aufzuchtanlage und zwei Angelparks. 

Der Forellendompteur

Als wir durch das geöffnete Tor die Anlage erreichen, werden gerade Forellen aus einem der vorderen Teiche geholt und nach Größe sortiert. Das funktioniert vollautomatisch mit einer Maschine, die die Fische in einer Art Spirale aus dem Wasser dreht und auf einem innenliegenden Fließband in die jeweiligen Becken leitet. Hat etwas von einer Achterbahnfahrt für Fische. Den rabiaten Eindruck bestätigen die Fische nicht, kommentiert Philipp Mohnen das Ganze, denn gleich nach diesem wilden Ritt, nähmen sie das Fressen wieder auf. Das würden sie nicht machen, wenn sie in einer Form beeindruckt wären. 

Die Fischsortiermaschine am Forellenteich.
Eine Achterbahnfart für Forellen – die Sortiermaschine

(Foto: Katrin Roland)

Etwa ein Jahr dauert es, bis die Fische den Betrieb lebend verlassen und ihre letzte Reise zu Verarbeitungsbetrieben oder Angelteichen antreten. Schon Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass ein Mastschwein mit etwa 120 Kilogramm nach nur sechs Monaten schlachtreif ist.

Zu uns gesellt sich Jens Utermark, der Fischwirtschaftsmeister, der hier den Überblick behält. Sehr hilfreich, dass er mit seiner Frau und seinen Hunden direkt auf dem Gelände mit Blick auf die Teiche wohnt. Er erzählt, wie er heute Morgen erstmal 50 Reihern Beine oder Flügel gemacht hat, die an den Beckenrändern auf ihr Frühstück lauerten. Das gehört dazu, lacht er, eine solche Aquakultur hat sich eben in die Natur einzubetten.

Doch er ist hier nicht nur als Leibwächter unterwegs, er und sein Team sind auch für die Bewirtung der Fische zuständig und organisieren jeden Tag mehrere Umzüge. Denn die Fische rotieren in ihrer Laufbahn bei Mohnen von hinten, wo das Wasser hinter einer Talsperre in die Anlage einfließt, bis in die vorderen Becken, wo das Wasser wieder in den Bach zurückgeführt wird. Vom Setzling bis zur ausgewachsenen Regenbogenforelle von etwa 400 Gramm. Dieses System garantiert, dass zu jeder Zeit Fisch verkauft werden kann. Ein kleiner Teil wird bei Mohnen auch selbst verarbeitet und in den beiden eigenen Fischgeschäften verkauft.

Dass der Fisch aus Aquakultur generell mit Antibiotika belastet sei, stimme übrigens nicht, betont Jens Utermark Natürlich wird immer mal wieder ein Tier krank. Obwohl sie gegen einige Krankheiten geimpft sind, passiere das eben. Das sei allerdings nicht der Zucht geschuldet ist. Die Erreger befänden sich im Wasser, das in die Anlage einfließt. Das sei ganz normal in der Natur. Kranke Tiere werden dann aussortiert und bei Veterinär:innen eingeschickt, um gezielt zu reagieren.

Philipp Mohnen und Jens ...
Jens Utermark und Philipp Mohnen

(Foto: Katrin Roland)

Freche Forellen und hochwertiges Futter

Vorrangig werden hier Regenbogenforellen gezüchtet, die ursprünglich aus Nordamerika stammen. Dazu zählen auch die Gold- und Blauforellen, die an den Wasseroberflächen schimmern. Die Blauforellen sind auch unter den Forellenzuchten etwas ganz Besonderes. In ganz Europa kennt Philipp Mohnen keinen anderen Betrieb, der diese anbietet. Das läge vor allem daran, dass die Art bei der Reproduktion ihre Tücken hat, denn kreuzt man eine Blauforelle mit einer Blauforelle, heißt das noch lange nicht, dass auch eine Blauforelle dabei herauskommt. Oft wird es eine gewöhnliche Regenbogenforelle.

Verschiedene Forellenarten an der Wasseroberfläche.
Ganz schön bunt: Regenbogen-, Gold- und Blauforellen

(Foto: Katrin Roland)

Als wir an den Teichen vorbeigehen, herrscht darin große Aufregung. Jens meint, dass seine Fische auch noch anders können. Der Tumult unter den Regenbogenforellen wäre noch weitaus größer, wenn einer von uns etwas Rotes tragen würde, denn die Farbe der Futtereimer erkennen sie schon von Weitem. Frech und verfressen. Dagegen verhalten sich die kleineren Bachforellen, die bei uns heimisch sind, sehr viel zurückhaltender. Eine Frage des Temperaments. Mit der Frage, was das Futter auszeichnet, entfachen wir in Jens ein Feuer. Leidenschaftlich erklärt er, dass eine exzellente Fischqualität nur durch ein sehr hochwertiges Futtermittel erzielt werde. Es muss passgenau auf den Fisch abgestimmt sein. Je älter und größer das Tier, umso höher der Fettgehalt in den dunkelbraunen Pellets. Der Fischmehlanteil sollte dabei immer möglichst gering sein. So entwickelt sich der Fisch gesund und das Wasser wird relativ gering belastet.

Jens ... am Forellenteich mit einem roten Futtereimer in der Hand.
Den roten Futtereimer erkennen die Forellen schon von Weitem

(Foto: Katrin Roland)

Ein Balanceakt

Die Wasserqualität sei sowieso das A und O, das Wichtigste für die Gesundheit der Tiere. Anders als bei terrestrisch lebenden Tieren, ist die Besatzdichte in den Teichen kein Faktor des Tierwohls, erklärt Philipp Mohnen. Natürlich nur wenn man es nicht total übertreibt. Derzeit arbeiten sie hier mit maximal 20 Kilogramm Fisch auf 1000 Liter Wasser. Mit der geplanten kompakteren Anlage wären es 30–40 Kilo Fisch, was im Vergleich zu anderen Betrieben immer noch sehr wenig ist. Jede Forellenzucht würde ein Gefühl dafür entwickeln, was den Tieren in den jeweiligen Teichen gut tut. Die Kunst ist es, mit einer relativ hohen Besatzdichte die Schwarmbildung der Forellen zu unterstützen. Bei zu wenigen Fischen schlägt es ins Gegenteil um, die Tiere entwickeln Territorialverhalten und verletzen sich gegenseitig. Gleichzeitig muss aber auch die Wasserqualität gehalten werden, was mit zunehmender Fischmenge immer schwieriger wird.

Ein Balanceakt, der hier offensichtlich gelingt. Bleibt aber noch zu klären, ob dieser Fisch tatsächlich eine nachhaltige Alternative zu Fisch aus dem Meer bietet. Philipp Mohnen meint das auf jeden Fall, schließlich beanspruche eine Forellenzucht nur einen Bruchteil an Energie von der, die die Fischfangindustrie auf den Meeren für sich beansprucht. Außerdem greifen sie hier nicht direkt in das sensible Ökosystem Meer ein. Ganz wichtig ist es dann, darauf zu achten, dass mit dem Futter nicht mehr Fisch in Form von Fischmehl eingesetzt wird, als letztendlich aus den Teichen rausgeholt wird. Das würde der Bilanz schon schaden und natürlich auch der Wasserqualität und somit auch den Fischen, wie Jens eben schon erklärt hat. Eine gutes und teures Fischfutter liefert Proteine aus Erbsen.

Was die Regionalität und die damit verbundenen niedrigen Emissionen des Transports angeht, erreicht der Fisch aus heimischer Aquakultur dann aber die volle Punktzahl. Und da diese Zuchtbetriebe in die Natur eingebettet sind und einen vorhandenen Wasserstrom nutzt, schneidet auch der niedrige Wasseraufwand ziemlich gut ab. Zudem ist die Naturbelastung von den Behörden in ganz Europa sehr streng kontrolliert und erlaubt keine Fehler. Gut, die Reinigung des Wassers würde schon Energie kosten, meint Philipp Mohnen. Wenn man das auch noch vermeiden wollte, müsste man sich auf die Zucht von Karpfen konzentrieren, die ohne Zufütterung funktioniert. Die Friedfische sind sicherlich die nachhaltigste Form, Fisch zu essen. 

Jens wirft ein, dass der heimische Süßwasserfisch im Vergleich zum Meeresfisch nicht nur eine geringere Umweltbelastung bedeute, sondern auch viel gesünder sei. Die bedenkliche Schwermetallbelastung sei im Meer definitiv vorhanden. Daran ist der industrielle Fischfang maßgeblich beteiligt. Zum Schutz der Meere muss es eine Alternative geben, und zwar ohne das Problem zu verschieben. Die Forellenzucht sieht er da als Chance. Nicht nur, um Fisch mit einem ruhigen Gewissen zu essen, sondern auch, um der Natur ein Stückchen näher zu kommen. Deshalb ist es ihm sehr wichtig, dass die Auszubildenden bei Mohnen ein gutes Verhält zu den Fischen und zu der Natur haben. Man schützt, was man liebt und man liebt nur, was man kennt.

Ein schöner Schlusssatz, der von mir nur noch von der Frage ergänzt wird, wie die Regenbogenforelle eigentlich schmeckt. Ich bin neugierig geworden. Das erfahre ich glücklicherweise im Anschluss an die Besichtigung, denn wir sind mit einem ganz besonderen Verarbeiter der Mohnen Forellen verabredet. Nachzulesen gibt es das ganz bald in der Chefkoch Nachhaltigkeitsthemenwelt